FAQ-Liste zum Recht der Syndikusanwälte

Am 1. Januar 2016 trat das Gesetz zur gesetzlichen Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte in Kraft1. Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuordnung war die Anerkennung der Tätigkeit der Syndikusanwälte in Unternehmen und Verbänden als anwaltliche Tätigkeit und damit die berufsrechtliche Klarstellung der Stellung von Syndikusanwälten. DAV und die Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte hatten erheblichen Anteil daran, dass es (endlich) auch zu einer formellen Anerkennung der Syndici kam. Zudem sollte dadurch der sozialrechtliche status quo ante vor den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. April 20142 wiederherstellt werden.

Diese FAQ-Liste, die erstmals im Februar 2016 erarbeitet, im Oktober 2020 grundlegend überarbeitet und im Zusammenhang mit der sog. großen BRAO-Reform3 zum 1. August 2022 aktualisiert wurde, dient der allgemeinen Information über den Inhalt und die Anwendung der gesetzlichen Neuordnung und ist für die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte im DAV konzipiert. Sie ersetzt aber keine anwaltliche, renten- bzw. versorgungsrechtliche oder steuerliche Beratung im Einzelfall. Verbindliche Auskünfte zur Anwendung des Gesetzes können nur die zuständigen Rechtsanwaltskammern bzw. ihre Versorgungswerke und die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) erteilen, wobei über Unklarheiten im Rahmen der Anwendung oder etwaige Streitfälle die Anwaltsgerichtshöfe (AGH) und der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entscheiden, soweit es um Zulassungsfragen geht, und die Sozialgerichte, soweit es um die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung geht.

Anhand von vier Themenschwerpunkten zeichnet die FAQ-Liste die typischen Fragestellungen nach, die Syndikusanwälte bei ihrer Zulassung, bei der Arbeitsvertragsgestaltung, dem Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung und schließlich bei ihrer Tätigkeit beschäftigen. Der Geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte hofft, insbesondere neuen Mitgliedern Orientierung zu geben und „alten Hasen“ durch diese Darstellung inkl. weiterführender Literatur- und Rechtssprechungshinweise in Zweifelsfragen hilfreich zur Seite zu stehen. Gerne werden kritische, lobende oder auch nur ergänzende Hinweise entgegengenommen und versucht, sie zu einem späteren Zeitpunkt in die Liste einzuarbeiten.

 

[1] Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung
der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2517), sog. „Syndikusanwaltsgesetz“.

[2] BSG vom 03.04.2014 – B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R, B 5 RE 3/14 R.

[3] Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und
steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften
im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7. Juli 2021, sog. „Große BRAO-Reform“.

1. DER SYNDIKUSRECHTSANWALT

Beim Syndikusrechtsanwalt4 handelt es sich nach der gesetzlichen Neuordnung um einen Rechtsanwalt, der eine anwaltliche Tätigkeit im Arbeitsverhältnis bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber ausübt, in dieser Form der Berufsausübung einer besonderen tätigkeitsbezogenen Zulassung bedarf und dabei besonderen Berufsausübungsregelungen unterworfen ist5. § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO6 definiert den Syndikusrechtsanwalt wie folgt: „Angestellte [..] üben ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte)“.

Eine anwaltliche Tätigkeit liegt vor, wenn die Tätigkeit fachlich unabhängig und eigenverantwortlich ausgeübt wird und durch folgende Merkmale geprägt ist:

  • Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten,
  • Erteilung von Rechtsrat,
  • Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch die selbständige Führung von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten und
  • die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten (§ 46 Abs. 3 BRAO).

Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung ist vertraglich (siehe Frage 3.1) und tatsächlich zu gewährleisten (§ 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO). Wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen, ist nicht fachlich unabhängig tätig (§ 46 Abs. 4 Satz 1 BRAO). Eine fachliche Unabhängigkeit liegt nicht vor, wenn Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestehen. Allgemeine Compliance Regelungen (wie beispielsweise ein im Unternehmen allgemein geltendes Vier-Augen-Prinzip7) hindern die fachliche Unabhängigkeit jedoch ebenso wenig wie fachliche Abstimmungen mit anderen Syndikusrechtsanwälten.8 Ein Ausschluss jeglichen Weisungsrechts des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Lediglich in fachlichen Fragen muss Weisungsfreiheit bestehen. Bei allgemeinen Regelungen oder Weisungen ist daher stets zu hinterfragen, ob diese (zwingend) die eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen, oder ob diese (trotzdem) möglich bleibt. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber dem Rechtsrat des Syndikusrechtsanwalts folgt.9 Unschädlich soll sogar sein, wenn der Syndikusrechtsanwalt bei einem Teil seiner anwaltlichen Tätigkeit (20% bis 30%) durch ein Weisungsrecht eingeschränkt ist.10 Dem Syndikusrechtsanwalt dürfen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen, sofern er der Meinung ist, die Entscheidung seines Arbeitgebers nicht vertreten zu können.11 Die Vereinbarung eines Versetzungsvorbehalts ist unschädlich (siehe Frage 3.1).

Bei der Auslegung der Merkmale war eine Orientierung an den zur alten Rechtslage von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) entwickelten, kumulativ angewendeten (und vom Bundessozialgericht in seinen Urteilen vom 3. April 2014 verworfenen) vier Kriterien gewollt, da nach der Gesetzesbegründung die Merkmale des § 46 Abs. 3 BRAO an die Vier-Kriterien-Theorie anknüpfen.12 Tatsächlich ist jedoch festzustellen, dass sich die Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe und des Anwaltssenates des BGH von den vier Kriterien emanzipiert und eine eigenständige Auslegungen zu den vier Merkmalen des § 46 Abs. 3 BRAO gefunden hat.

Die vier Merkmale müssen zwar alle erfüllt sein, jedoch nicht in dem gleichen Maße.13

Bei der Prüfung von Rechtsfragen und der Erteilung von Rechtsrat kann es unseres Erachtens nicht darauf ankommen, ob ein konkreter Fall vorliegt. Ausreichend muss vielmehr sein, dass zu einer allgemeinen Rechtsfrage ein Rechtsgutachten erstellt wird, da es zu den anwaltlichen Aufgaben zählt, den Mandanten proaktiv auf rechtlich relevante Themen hinzuweisen. Unter die Erteilung von Rechtsrat gegenüber dem Arbeitgeber iSv § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO fallen daher nach richtiger Auffassung auch die Darstellung abstrakter Regelungskomplexe bzw. deren schriftliche Aufarbeitung und die Bekanntgabe sowie Erläuterung von Entscheidungen im Einzelfall, Kurzgutachten und Schulungen zur Durchsetzung konkreter Vorgaben.14 Es kommt auch nicht darauf an, ob die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG ist. Denn das Rechtsdienstleistungsgesetz grenzt die erlaubte von der unerlaubten Tätigkeit ab und nicht die anwaltliche von der nicht-anwaltlichen. Der enge Begriff der Rechtsdienstleistung ist daher gerade nicht mit dem Begriff der Rechtsberatung gleichzusetzen. Leider sieht der BGH das jedoch derzeit anders, so dass diese abstrakt rechtsberatenden Tätigkeiten grundsätzlich nicht als anwaltlich angesehen werden.15

Die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten, erfordert weder die Erteilung einer Prokura noch eine Handlungsvollmacht im Sinne der §§ 48 ff. HGB, wenngleich beides ausreichend ist.16 Erst recht ist keine Alleinvertretungsbefugnis erforderlich.17 Gleichwohl muss der Syndikusrechtsanwalt nach außen verantwortlich auftreten dürfen. Dies ist jedenfalls dann gegeben, wenn er die Befugnis hat, nach außen im Rahmen des selbstständigen Führens von Verhandlungen tätig zu werden. Entscheidend ist aber nicht, ob der Syndikusrechtsanwalt schließlich auch eine Vereinbarung als Vertreter seines Arbeitgebers unterzeichnet, denn eine Gesamtvertretungsbefugnis ist nicht stets zwingend erforderlich.18

Der Syndikusrechtsanwalt bedarf zur Ausübung seiner anwaltlichen Tätigkeit im Unternehmen der (tätigkeitsbezogenen) Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (§ 46 Abs. 2 Satz 2 BRAO). Seine Befugnis zur Beratung und Vertretung beschränkt sich jedoch auf die eigenen Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers (§ 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO). Diese umfassen auch Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen im Sinne des § 15 AktG. Dabei muss der Syndikusrechtsanwalt im Zulassungsverfahren darlegen und nachweisen, dass es sich bei den Unternehmen, die er berät, um Konzernunternehmen handelt.19 Weitere Erweiterungen gibt es, abgesehen von Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitgliedern, sofern es sich bei dem Arbeitgeber um eine Vereinigung oder Gewerkschaft nach § 7 RDG oder nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG handelt, sowie von erlaubten Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers gegenüber Dritten, sofern es sich bei dem Arbeitgeber um einen Angehörigen der in § 59a BRAO genannten sozietätsfähigen Berufe oder um eine Berufsausübungsgesellschaft solcher Berufe handelt, nicht (§ 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 und 3 BRAO). Bei dem Erfordernis des Tätigwerdens in eigenen Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers handelt es sich nicht nur um eine Beschränkung des Tätigkeitsfelds des Syndikusrechtsanwalts, sondern um ein echtes Tatbestandsmerkmal, dessen Nichterfüllung zur Versagung der Zulassung führt (siehe hierzu auch Frage 2.1).20

Mit der BRAO-Neufassung vom 1. August 2022 wurde ein neuer § 46 Abs. 6 BRAO eingefügt. Danach darf der Syndikusrechtsanwalt Dritte beraten, wenn der Arbeitgeber nach Rechtsdienstleistungsgesetz zur Drittberatung berechtigt ist. Diese Beratung ist dann jedoch ausdrücklich nicht anwaltlich. Daher muss der Syndikusrechtsanwalt explizit darauf hinweisen, dass ihm insbesondere kein strafrechtliches Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Da die Beratung nicht anwaltlich ist, zählt sie nicht in die Prägung hinein, darf also nur untergeordneten Umfang haben.

 

[4] Die Berufsbezeichnung lautet gemäß § 46a Abs. 4 Nr. 3 BRAO „Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)“
oder „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“. Im Folgenden wird, wie im Gesetz auch, einheitlich
der Begriff des Syndikusrechtsanwalts verwendet, womit alle Geschlechter gemeint sein sollen.

[5] Vgl. hierzu ausführlich Freundorfer, Prossliner, Scheer, Der Syndikusanwalt/ Die Syndikusanwältin,
in: DAV-Ratgeber für junge Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, 15. Aufl. 2021

[6] Die Gesetzesangaben beziehen sich auf die gesetzlichen Regelungen der §§ 46 ff. BRAO, die zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten sind.
§ 46a Abs. 4 BRAO wurde rückwirkend zum 1. Januar 2016 und § 46c Abs. 3 und 4 BRAO wurde mit Wirkung zum 18. Mai 2017 geändert.
Zur alten Rechtslage vgl. Hamacher, Der Syndikusanwalt, in: DAV-Ratgeber für junge Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, 13. Aufl. 2012.

[7] Siehe: BGH, Beschluss vom 26.06.2019 – AnwZ (Brfg) 29/19 und BGH, Beschluss vom 29.01.2019 – AnwZ (Brfg) 16/18.

[8] Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 16. Juni 2015, BT-Drs. 18/5201, S. 29. Dieser Gesetzesentwurf ist
identisch mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 15.07.2015 in BT-Drs. 18/5563. Letzterer wurde daher für erledigt
erklärt (BT-Drs. 18/6915, S. 10). Im Folgenden wird daher ausschließlich der ursprüngliche Gesetzesentwurf aus BT-Drs. 18/5201 zitiert.

[9] BGH, Beschluss vom 26.06.2019 – AnwZ (Brfg) 29/19.

[10] BGH, Beschluss vom 14.01.2019 – AnwZ (Brfg) 29/17.

[11] Ausschussempfehlung vom 02.12.2015, BT-Drs. 18/6915, S. 22.

[12] BT-Drs. 18/5201, S. 28.

[13] Bayerischer AGH, Beschluss vom 07.10.2019 – BayAGH III-4-11/18.

[14] Bayerischer AGH, Beschluss vom 07.10.2019 – BayAGH III-4-11/18.

[15] BGH, Urteil vom 7.12.2020, AnwZ (Brfg) 75/18.

[16] BT-Drs. 18/6915, S. 22.

[17] BGH, Urteil vom 14.01.2019 – AnwZ (Brfg) 25/18.

[18] BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Brfg) 63/17.

[19] AGH NRW, Urteil vom 05.10.2018 – 1 AGH 11/18.

[20] BGH, Urteil vom 09.03.2020 – AnwZ (Brfg) 1/18.

Der Syndikusrechtsanwalt ist befugt, seinen Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten zu beraten und zu vertreten. Dies erfasst auch die Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen im Sinne des § 15 AktG (§ 46 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BRAO).

Der Syndikusrechtsanwalt ist ebenso wie der bei einem anwaltlichen Arbeitgeber beschäftigte oder auch der niedergelassene Rechtsanwalt Teil der Rechtsanwaltschaft. Er unterliegt daher grundsätzlich den allgemeinen Berufspflichten des Rechtsanwalts nach §§ 43 ff. BRAO und auch den Pflichten, die sich außerhalb der BRAO ergeben, z.B. Pflichten nach dem GwG, wenn der Syndikusrechtsanwalt an Kataloggeschäften mitwirkt (§ 2 Abs. 10 GwG). Neu hinzugekommen ist seit dem 1. August 2022 die Pflicht, spätestens innerhalb eines Jahres nach der Erstzulassung an einer mindestens zehnstündigen Lehrveranstaltung über das anwaltliche Berufsrecht teilzunehmen (§ 43f BRAO, konkretisiert in § 5a BORA). Bereits seit dem 1. August 2021 gelten besondere – von sonstigen Rechtsanwälten abweichende – Vertreterregelungen: der Syndikusrechtsanwalt muss bei Abwesenheiten keinen Vertreter bestellen (§ 46c Abs. 3 BRAO), § 53 BRAO findet keine Anwendung. Allerdings muss der Syndikusrechtsanwalt (§ 46c Abs. 6 BRAO) nun einen Zustellungsbevollmächtigten (§ 30 BRAO) gegenüber der Rechtsanwaltskammer benennen, wenn er länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben. Ein solches Hindernis liegt nicht schon dann vor, wenn der Syndikusrechtsanwalt urlaubwesend oder leicht erkrankt ist. In jedem Fall reicht es aus, wenn der Syndikusrechtsanwalt eine übliche Vertretung innerhalb der Rechtsabteilung organisiert. Die Benennung des Zustellungsbevollmächtigten gegenüber der Kammer ist erst dann notwendig, wenn nicht sichergestellt ist, dass Zustellungen bei einem zugelassenen Kollegen ankommen. Es ist darauf zu achten, dass dem Zustellungsbevollmächtigten zumindest die Befugnis eingeräumt wird, Posteingänge im elektronischen Anwaltspostfach (beA) zur Kenntnis zu nehmen sowie elektronische Empfangsbekenntnisse (EB) abgeben zu können.

Für die Abgabe eines EB und bei einzelnen Gerichten und Bundesländern galt dies schon bislang, hingewiesen wird an dieser Stelle an die seit dem 1. Januar 2022 bestehende bundesweite sog. aktive Nutzungspflicht für die Übermittlung von rechtsverbindlichen Dokumenten zwischen Anwälten und Gerichten. Bis zum 31. Dezember 2021 bestand abgesehen von den vorerwähnten Ausnahmen lediglich die berufsrechtliche Verpflichtung zur Einrichtung und passiven Nutzung des beA.

Ausgenommen von den allgemeinen Berufspflichten sind gemäß § 46c Abs. 3 BRAO zudem die Pflichten

  • zur Mitteilung der Ablehnung eines Auftrags (§ 44 BRAO),
  • zur Übernahme der Prozessvertretung im Fall einer Beiordnung (§ 48 BRAO),
  • zur Übernahme einer Verteidigung oder Beistandsleistungen (§ 49 BRAO),
  • zur Übernahme der Beratungshilfe (§ 49a BRAO)
  • Aufbewahrung und Herausgabe von Dokumenten in der Handakte (§ 50 Abs. 2 und 3 BRAO) und
  • zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung (§ 51 BRAO).

Es besteht ein Vertretungsverbot des Syndikusrechtsanwalts in zivilrechtlichen und arbeitsgerichtlichen Verfahren und in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sofern Anwaltszwang besteht (§ 46c Abs. 2 Satz 1 BRAO). Die Vertretung des Arbeitgebers in verwaltungs-, finanz- und sozialgerichtlichen Verfahren ist zulässig.

Wenn der Syndikusrechtsanwalt zugleich niedergelassener Rechtsanwalt ist, darf er in dieser Eigenschaft (und auch bei Vorbefassung als Syndikusrechtsanwalt) seinen Arbeitgeber vor Gericht vertreten. Aus Gründen der Waffengleichheit muss er dann aber seine Tätigkeit nach dem RVG abrechnen.

In Straf- oder Bußgeldverfahren, die sich gegen den Arbeitgeber oder dessen Mitarbeiter (einschließlich Vorständen, Geschäftsführern und Gesellschaftern) richten, dürfen Syndikusrechtsanwälte nicht als Verteidiger oder Vertreter tätig werden (§ 46c Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz BRAO), es sei denn der Arbeitgeber ist nur als Geschädigter und Nebenkläger am Verfahren beteiligt.21 Dies schließt unseres Erachtens aber nicht aus, dass der Syndikusrechtsanwalt als normaler rechtsgeschäftlicher Vertreter in nicht anwaltspflichtigen Verfahren Schriftstücke für seinen Arbeitgeber erstellt und unterschreibt, wenn dieser insoweit keine Vertretung durch einen anwaltlichen Verteidiger oder Vertreter wünscht. In diesen Fällen liegt unseres Erachtens keine anwaltliche Tätigkeit vor, weshalb insofern dann auch nicht als „Syndikusrechtsanwalt“ gezeichnet werden darf.

Das Verteidigungsverbot erstreckt sich auch auf eine Tätigkeit als niedergelassener Rechtsanwalt, wenn Gegenstand des Verfahrens ein unternehmensbezogener Tatvorwurf ist (§ 46c Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BRAO). Die Übernahme der Verteidigung des Arbeitgebers oder eines Mitarbeiters in einem Straf- oder Bußgeldverfahren, das keinen Zusammenhang mit dem Unternehmen aufweist, bei dem der Syndikusrechtsanwalt beschäftigt ist, z.B. wegen eines mit dem Privatfahrzeug begangenen Verkehrsdelikts oder wegen einer ausschließlich im privaten Umfeld verorteten Straftat als niedergelassener Rechtsanwalt, ist möglich.

Bezüglich der so genannten Legal Privileges gilt eine differenzierte Lösung:

  • Dem Syndikusrechtsanwalt steht ein Zeugnisverweigerungsrecht im Zivilprozess (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) und somit auch das Recht, einer gerichtlichen Anordnung zur Urkundenvorlegung nicht nachzukommen, zu (§ 142 Abs. 2 ZPO).

  • Aufgrund des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO besteht für den Syndikusrechtsanwalt kein Zeugnisverweigerungsrecht in Strafverfahren. Somit gelten auch nicht die Beschlagnahmefreiheit (§ 97 Abs. 1 bis 3 StPO), das Abhörungs- und Aufzeichnungsverbot (§ 100c Abs. 6 StPO) und das Verbot der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen (§ 160a StPO), da diese Privilegien unmittelbar an § 53 StPO anknüpfen.

 

[21] BT-Drs. 18/5201, S. 38.

Syndikusrechtsanwälte sind unter denselben Voraussetzungen GwG-Verpflichtete wie andere Rechtsanwälte. Ausreichend ist die Mitwirkung an den enumerativ in § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG aufgezählten Kataloggeschäften. Die Verpflichtung nach GwG hängt insbesondere nicht davon ab, ob der Arbeitgeber selbst Verpflichteter nach dem GwG ist. Der Begriff der Mitwirkung wird von den Rechtsanwaltskammern weit ausgelegt. Unseres Erachtens sollte die Auslegung jedoch nicht zu weit gehen: berät man z.B. zu einer gesellschaftsrechtlichen Transaktion des Arbeitgebers, nimmt man nach unserer Auffassung nur dann selbst an einem Kataloggeschäft teil, wenn man im Gesellschaftsrecht berät. Nicht jede rechtliche Zuarbeit in einer Due Diligence kann unseres Erachtens zur Verpflichtung nach GwG führen. Einziger Mandant des Syndikusrechtsanwalts ist der Arbeitgeber, es kommt also auf die Beratung des Arbeitgebers zu beispielsweise der Eröffnung eines eigenen Kontos oder zu Transaktionen eigener Beteiligungen des Arbeitgebers an, nicht aber ob der Arbeitgeber Kataloggeschäfte mit Kunden oder Dritten tätigt. Zu diesen Dritten liegt kein Mandatsverhältnis vor.

Gemäß § 5 GwG müssen Verpflichtete eine Risikoanalyse erstellen, § 5 GwG. Die Risikoanalyse obliegt dem Syndikusrechtsanwalt selbst. Ist sein Arbeitgeber Verpflichteter nach GwG, wird der Syndikusrechtsanwalt auf dieser Analyse aufbauen können. Abweichend von sonstigen Anwälten müssen Syndikusrechtsanwälte jedoch normalerweise keine Maßnahmen zur Identifikation des eigenen Arbeitgebers durchführen. Näheres zu Pflichten nach GwG können den Auslegungs- und Anwendungshinweise der BRAK bzw. der jeweils zuständigen Rechtsanwaltskammern entnommen werden.22

Die Kammern überprüfen die GwG-Verpflichtung stichprobenmäßig derzeit dadurch, dass sie in regelmäßigen Abständen nach dem Zufallsprinzip Fragebögen an einige (5-10 %) ihrer Mitglieder verschicken. Ein solcher Fragebogen ist unbedingt korrekt zu beantworten und fristgemäß zurückzusenden.

[22] Jeweils in aktueller Fassung abrufbar auf der Seite der BRAK oder der Rechtsanwaltskammern.

Der Syndikusrechtsanwalt muss seine anwaltliche Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung „Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)“ oder „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ ausüben (§ 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO). Sofern der Syndikusrechtsanwalt für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig ist, sollte daher erkennbar sein, dass er als Syndikusrechtsanwalt tätig wird. Dies ist durch eine entsprechende Bezeichnung in der E-Mail-Signatur, auf dem Briefpapier und auf der Visitenkarte gewährleistet. Wenn ein Auftreten nach außen erfolgt, insbesondere im Rahmen des selbständigen Führens von Verhandlungen und der Verwirklichung von Rechten, erscheint es empfehlenswert, in der Unterschriftenzeile oder an anderer Stelle auf dem Briefpapier diese Berufsbezeichnung aufzuführen. Dies ist zugleich ein Indiz für die Beschäftigung als „Syndikusrechtsanwalt“. Die volle Nennung der Bezeichnung „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ ist wohl nicht erforderlich, wenngleich aus berufsrechtlicher und berufspolitischer Sicht sinnvoll. Ausreichend wird aber unseres Erachtens die Bezeichnung als „Syndikusrechtsanwalt“ sein.

Da der Syndikusrechtsanwalt gesetzlich definiert ist und die Führung der Berufsausübungsbezeichnung „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ eine entsprechende Zulassung voraussetzt, sollte vermieden werden, Bezeichnungen zu führen, die Verwechslungsgefahren bergen. Eine Bezeichnung als „Unternehmensjurist“, „Legal Counsel“ oder „Justiziar“ ist unseres Erachtens weiterhin möglich Die Bezeichnung „Syndikusanwalt“ sollte wegen der begrifflichen Nähe zum Syndikusrechtsanwalt vermieden werden. Auch die Bezeichnung als „Syndikus“ im geschäftlichen Verkehr für diejenigen, die in Unternehmen tätig und nach altem Recht zugelassene Rechtsanwälte sind (sog. „Alt-Syndizi“) wird von einigen Kammern kritisch gesehen. Unseres Erachtens ist zu empfehlen deshalb die lokalen Gegebenheiten zu beachten und möglichst keinen Begriff zu verwenden, der auch nur entfernt eine Verwechslungsgefahr in sich birgt. In Zukunft wird sich das Thema aber erledigen, da faktisch immer mehr Kollegen die Zulassung als „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ beantragen werden.

Die Haftung bemisst sich nach den allgemeinen Regeln des Zivil- und Arbeitsrechts, wobei insbesondere die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung unberührt bleiben sollen und davon auszugehen ist, dass diese Grundsätze für Syndikusrechtsanwälte unter denselben Voraussetzungen zur Anwendung gelangen wie für andere Arbeitnehmer in vergleichbarer Position.

Da der Syndikusrechtsanwalt Arbeitnehmer seines Arbeitgebers ist, bedarf es zumindest im Verhältnis zum Vertragsarbeitgeber unseres Erachtens keiner Haftungsvereinbarung, wenn beiderseits die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung für angemessen erachtet werden. Insofern wird sich ein Arbeitgeber einer vertraglichen Klarstellung, dass auch im konkreten Arbeitsverhältnis die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung gelten sollen, sicherlich nicht verweigern, wenn auch weitergehende Haftungsvereinbarungen unseres Erachtens nicht notwendig sind. Ob sie sinnvoll sind, bedarf der Prüfung im Einzelfall. Da die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung von der Rechtsprechung entwickeltes zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht sind, kann hiervon zu Ungunsten des Syndikusrechtsanwalts nicht abgewichen werden. Gleichwohl könnte eine Haftungsvereinbarung als Orientierung herangezogen werden, wenn ein Gericht über die Höhe der Haftung entscheidet. Aus Sicht des Arbeitgebers stellt sich aber die Frage, ob im Voraus pauschal auf Haftungsansprüche verzichtet werden kann.

Nein, der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist nicht erforderlich (§ 46a Abs. 4 Nr. 1 BRAO).

2. ZULASSUNG ALS SYNDIKUSRECHTSANWALT

Um als Syndikusrechtsanwalt zugelassen zu werden, müssen nach § 46a Abs. 1 Satz 1 BRAO

  • die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen nach § 4 BRAO (Befähigung zum Richteramt),
  • das Fehlen von Versagungsgründen nach § 7 BRAO sowie
  • die besonderen Anforderungen an die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO (siehe hierzu Frage 1.1) vorliegen.

Zu den Tatbestandsmerkmalen zählt, dass der Syndikusrechtsanwalt in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers tätig ist (§ 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO), wobei Konzernunternehmen im Sinne von § 15 AktG einbezogen werden (§ 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BRAO). Probleme bereitet dieses Merkmal, wenn der Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Dritter tätig ist. Beispielhaft zu nennen sind Unternehmen, die als externe Datenschutzbeauftragte auftreten23, die gewerblich Rentenberatung erbringen24, die Beratungsleistungen in den Bereichen Datenschutz, IT-Sicherheit und Compliance erbringen25, die als Versicherungsgemeinschaft ihre Mitglieder beraten, die zugleich Gesellschafter sind26 oder die als Versicherungsmakler Versicherungsnehmer in der Abwicklung ihrer Schadensfälle beraten27. Hier liegt nach der Auffassung des BGH kein Tätigwerden in den eigenen Angelegenheiten des Arbeitgebers vor. Das hiergegen eingewandte Argument, dass die Angelegenheit zu einer eigenen des Arbeitgebers wird, wenn dieser sich schuldrechtlich verpflichtet hat, für einen Dritten tätig zu werden, hat der BGH verworfen.28 Auch eine sich aus der Satzung des Arbeitgebers ergebende Verpflichtung, für Gesellschafter tätig zu sein, reiche nicht aus.29 Es kommt nach der Rechtsprechung des BGH auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die Befugnis zur Rechtsberatung hat, da sich die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung Dritter abschließend aus § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 und 3 BRAO ergibt.30 Bei der Abgrenzung von Tätigkeiten für den Arbeitgeber und Tätigkeiten für Dritte geht der BGH im Zweifel restriktiv vor, nimmt im Zweifel also eine Drittangelegenheit an. In der Literatur werden Bedenken an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Beschränkung auf Arbeitgeberangelegenheiten auch für den Fall, dass der Arbeitgeber eine explizite Rechtsberatungsbefugnis hat, vorgebracht.31 Diesen Bedenken hat der Gesetzgeber zum 1. August 2022 zumindest insoweit abgeholfen, als der neu eingefügte § 46 Abs. 6 BRAO nunmehr die Beratung von Dritten erlaubt, wenn der Arbeitgeber selbst dazu befugt ist. Diese Beratung ist dann allerdings nicht anwaltlich.

Der Mitarbeiter einer Haftpflichtversicherung, der die Einstandspflicht der Haftpflichtversicherung prüft, kann hingegen als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden, da es sich um die eigene Pflicht seines Arbeitgebers handelt.32 Auch eine Tätigkeit als interner Datenschutzbeauftragter kann grundsätzlich die für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erforderlichen Tätigkeitsmerkmale des § 46 Abs. 3 BRAO erfüllen.33

Ein Leiharbeitnehmer kann hingegen nicht zum Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden, da er in Rechtsangelegenheiten des Entleihers und nicht des Verleihers, der sein Arbeitgeber ist, tätig wird.34

Höchstrichterlich geklärt ist, was gilt, wenn ein Unternehmensjurist sowohl in eigenen Angelegenheiten seines Arbeitgebers als auch in Angelegenheiten dessen Kunden tätig ist (sog. Mischtätigkeit). Nach einer Auffassung kam es in diesen Fällen darauf an, welche der Tätigkeiten iSd § 46 Abs. 3 BRAO prägend ist.35 Nunmehr hat der BGH ent-schieden, dass die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt schon dann zu versagen ist, wenn der Beschäftigte auch rechtsberatend für Kunden des Arbeitgebers tätig wird, wo-bei es auf den zeitlichen Umfang der Beratung der Kunden nicht ankommt.36

Eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst steht der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht grundsätzlich entgegen.37 Eine Zulassung scheidet aber aus, wenn der Arbeitnehmer am Erlass hoheitlicher Maßnahmen mit Entscheidungsbefugnis beteiligt ist, wobei die bloße Vorbereitung von Entscheidungen unschädlich ist.38 Der Leiter eines Personaldezernats einer Universität kann nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden.39

Auch GmbH-Geschäftsführer können, wenngleich sie keine Arbeitnehmer sind, unseres Erachtens grundsätzlich als Syndikusrechtsanwälte zugelassen werden, wobei aller-dings besonders darzulegen sein wird, weshalb die anwaltliche Tätigkeit gegenüber den originären Geschäftsführeraufgaben prägend ist.40 Einige Kammern sehen das leider anders und verweisen auf den Wortlaut des § 46 Abs. 3 BRAO, wonach ein Arbeitsverhältnis bestehen muss. Dies übersieht, dass es durchaus auch Konstellationen gibt, bei denen mit Geschäftsführern neben ihrem Dienstvertrag ein Arbeitsvertrag geschlossen worden ist. Zudem sind ein Geschäftsführer und die GmbH personenverschieden, sodass der Geschäftsführer die Gesellschaft anwaltlich beraten kann. Dies gilt insbesondere, wenn die Geschäftsführung ein Kollegialorgan ist oder wenn auch Konzerngesellschaften beraten werden. Jedoch muss das fachliche Weisungsrecht des Gesellschafters/ der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag selbst ausgeschlossen sein.41 Ein Ausschluss lediglich im Dienstvertrag genügt nicht.

 

[23] BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17.[24] BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 58/17.

[25] BGH, Beschluss vom 28.05.2020 – AnwZ (Brfg) 11/20.

[26] BGH, Urteil vom 03.02.2020 – AnwZ (Brfg) 71/18, Verfassungsbeschwerde ist unter Az. 1 BvR 695/20 anhängig.

[27] BGH, Beschluss vom 10.04.2019 – AnwZ (Brfg) 46/18.

[28] BGH, Urteil vom 09.03.2020 – AnwZ (Brfg) 1/18; Urteil vom 16.08.2019 – Anwz (Brfg) 58/18.

[29] BGH, Beschluss vom 16.5.2019 – AnwZ (Brfg) 71/18.

[30] BGH, Urteil vom 22.06.2020 – AnwZ (Brfg) 23/19.

[31] Kleine-Cosack, BRAO, 2020, § 46 Rz. 48ff; Freundorfer, NJW 2020, 2970.

[32] BGH, Beschluss vom 26.06.219 – AnwZ (Brfg) 29/19.

[33] BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18.

[34] AGH NRW, Urteil vom 29.06.2018 – 1 AGH 48/17.; AGH München, Urteil vom 10.07.2017 – BayAGH III-4-6/16;
AGH Stuttgart, Urteil vom 03.11.2017 – AGH 21/17 II

[35] Schleswig-Holsteinischer AGH, Urteil vom 16.09.2019 – 1 AGH 2/19.

[36] BGH, Urteil vom 22.06.2020 – AnwZ (Brfg) 23/19.

[37] BGH, Urteil vom 03.02.2020 – AnwZ (Brfg) 36/18.

[38] BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18; Urteil vom 06.05.2019 – AnwZ (Brfg) 31/17.

[39] BGH, Urteil vom 03.02.2020 – AnwZ (Brfg) 36/18.

[40] Vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2019 – Anwz (Brfg) 22/17.

[41] BGH, Beschluss vom 08.10.2021, AnwZ (Brfg) 37/20.

Eine anwaltliche Tätigkeit im Unternehmen bzw. Verband darf nur ausgeübt werden, wenn eine entsprechende Zulassung erfolgt ist, vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 BRAO. Diejenigen Kollegen, die nach der alten Rechtslage und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar befugt waren, den Anwaltsberuf als Zweitberuf neben der Tätigkeit als angestellter Unternehmensjurist (Syndikus) auszuüben, aber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gerade nicht anwaltlich tätig werden konnten und mithin keine Syndikus(rechts)­anwälte waren, werden gemäß § 46a BRAO ihre (erstmalige) Zulassung als Syndikusrechtsanwalt beantragen müssen, wenn sie für ihren Arbeitgeber anwaltlich auftreten und die Befugnisse eines Syndikusrechtsanwalts wahrnehmen möchten.

Die Frage, ob ein Zulassungsantrag gestellt werden „muss“, ist damit aber nicht beantwortet. Vielmehr stellt das Gesetz dies frei. Nur wer als Rechtsanwalt im Unternehmen anwaltlich arbeiten möchte, bedarf der gesonderten Zulassung, und auf diese Zulassung hat er einen Anspruch, wenn seine Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 3 bis 5 BRAO entspricht. Will ein Unternehmensjurist nicht anwaltlich im Unternehmen tätig sein, bedarf er keiner entsprechenden Zulassung. Die anfangs vereinzelt vertretene Auffassung, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 bis 5 BRAO müsse eine Zulassung beantragt werden hat sich nicht durchgesetzt, zumal zu den Voraussetzungen ja auch die einzelvertragliche Vereinbarung der fachlichen Unabhängigkeit zählt (§ 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO). An dieser wird es fehlen, wenn Arbeitgeber und Unternehmensjurist keine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt anstreben. Dies gilt erst recht, weil nach der Rechtsprechung grundsätzlich kein Anspruch von Unternehmensjuristen gegen den Arbeitgeber auf Zusicherung der fachlichen Unabhängigkeit besteht (siehe hierzu auch Frage 3.2).42

 

[42] BAG, Urteil vom 24.10.2018 – 10 AZR 69/18.

Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt setzt voraus, dass die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses „prägend“ ist (§ 46 Abs. 3 Satz 1 BRAO). Die Gesetzesbegründung fordert sogar, dass die anwaltliche Tätigkeit die „qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung des angestellten Rechtsanwalts“ ist.43 Eine bloß qualitativ prägende Leistung reicht demnach nicht aus. Vielmehr muss auch quantitativ, also gemessen an der aufgewendeten Arbeitszeit, die anwaltliche Tätigkeit prägend sein.

Unklar war zunächst, welchen prozentualen Anteil die anwaltliche Tätigkeit in zeitlicher Hinsicht haben muss. Der BGH hat in mehreren Entscheidungen eine Präzisierung herbeigeführt. Ein Anteil von 65 % anwaltlicher Tätigkeit an der Gesamttätigkeit soll „am unterem Rand“ des Erforderlichen liegen, wobei eine quantitative Betrachtung erfolgt.44 Vorangegangen waren zwei Entscheidungen, die „mindestens 60%, zeitweise eher 70 %“45 bzw. 67 %46 für ausreichend erachteten. Ob es auch ausreicht, wenn lediglich mehr als 50 % der Tätigkeit anwaltlich sind, hat der BGH bisher offengelassen47, allerdings die Grenze von 65 % ausdrücklich als „unterer Rand der anwaltlichen Prägung“ bezeichnet.48 Es erscheint daher naheliegend, dass die „65 %“ sich als „Faustformel“ durchsetzen werden.

Unklar ist weiterhin, ob auch administrative Tätigkeiten zur prägenden anwaltlichen Tätigkeit gezählt werden können. Unseres Erachtens ist es richtig zu differenzieren. Administrative Tätigkeiten, die ebenso bei einem niedergelassenen Rechtsanwalt anfallen (z. B. Führung der anwaltlichen Mitarbeiter durch fachlichen Review und fachliche Anleitung, Organisation des Sekretariats im Hinblick auf Fristenkontrolle, Aktenführung und Aktenablage) sind ein notwendiger Annex zur anwaltlichen Tätigkeit und dieser hinzuzuzählen.49 Sonstige administrative Aufgaben bleiben hingegen außer Betracht. In der Stellungnahme des DAV zur Evaluation des Syndikusanwaltsgesetzes hatten sich DAV und Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte dafür ausgesprochen, dass § 46 BRAO diese Annex-Tätigkeiten ausdrücklich als anwaltliche Tätigkeiten anerkennt. Leider wurde diese Anregung vom BMJ in seinem Evaluationsbericht nicht aufgegriffen.

 

[43] BT-Drs. 18/5201, S. 19.

[44] BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Brfg) 63/17.

[45] BGH, Urteil vom 14.01.2019 – AnwZ (Brfg) 25/18.

[46] BGH, Beschluss vom 27.02.2019 – AnwZ (Bfrg) 36/17.

[47] BGH, Urteil vom 22.06.2020 – AnwZ (Brfg) 81/18.

[48] BGH, Urteil vom 30.03.2020 – AnwZ (Brfg) 49/19 Rn. 28.

[49] Bayerischer AGH, Urteil vom 16.01.2020 – BayAGH III-4-19/2018 – für die Führung anwaltlicher Mitarbeiter.

Da sich die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nur auf die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bezieht, ist es möglich, parallel die Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt fortzuführen (sog. Doppelzulassung). Dies ergibt sich aus § 46c Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BRAO.

Erforderlich ist in diesem Fall eine Freistellungsbescheinigung des Arbeitgebers für die Nebentätigkeit als niedergelassener Rechtsanwalt, die dem Syndikusrechtsanwalt als Mitarbeiter erlaubt, bei Bedarf jederzeit seine Arbeit zu unterbrechen, um seinen Pflichten als niedergelassener Rechtsanwalt nachzukommen. Diese Freistellungsbescheinigungen waren bereits bei den „Alt-Syndizi“ erforderlich.

Zu den Folgen einer Doppelzulassung siehe Frage 2.8.

Bei paralleler Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und als niedergelassener Rechtsanwalt gibt es im Wesentlichen drei Vorteile, auch als niedergelassener Rechtsanwalt zugelassen zu sein. Zum ersten kann – wie bisher auch – mit Zustimmung des Arbeitgebers nebenberuflich eine Tätigkeit als niedergelassener Rechtsanwalt ausgeübt werden. Zum zweiten ist zu erwähnen, dass der Syndikusrechtsanwalt in einigen Fällen, in denen er als Syndikusrechtsanwalt nicht für seinen Arbeitgeber auftreten darf, ggf. als niedergelassener Rechtsanwalt seinen Arbeitgeber vertreten kann, und zwar mit den daraus resultierenden Rechten und Pflichten (siehe hierzu Frage 1.2). Drittens bleibt ein etwa erworbener Fachanwaltstitel erhalten, falls eine Lücke zwischen der Zulassung für eine bisherige und für eine zukünftige Syndikustätigkeiten entstehen sollte. Die rückwirkende Fiktion einer Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer zum (neuen) Tätigkeitsbeginn ist keine Zulassung, welche aber für die Beibehaltung des Titels erforderlich ist. Insofern wäre ein neuer Fachanwaltsantrag erforderlich, um nicht nur die entsprechende Fachanwaltsqualifikation zu haben, sondern auch den Titel tragen zu können.

Eine parallele Zulassung ist nicht mehr erforderlich, um das früher bestehende Risiko abzuwenden, bei einem Wechsel zu einem Arbeitgeber in ein anderes Bundesland nicht mehr in das dortige Rechtsanwaltsversorgungswerk eintreten zu können (wegen der in Versorgungswerken zuvor bestehenden Altersgrenze von 45 Jahren; siehe hierzu auch Frage 4.5). Schließlich ist eine nochmalige Vereidigung des Syndikusrechtsanwalts ist, wenn er bereits als niedergelassener Rechtsanwalt vereidigt wurde und noch zugelassen ist, nicht erforderlich. Gleiches gilt bei umgekehrter Fallkonstellation.

Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt setzt einen entsprechenden Antrag voraus (§ 46a Abs. 1 BRAO).

Der Antrag ist bei der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer zu stellen (§ 46a Abs. 2 Satz 1 BRAO). Ist der Syndikusrechtsanwalt bereits als niedergelassener Rechts-anwalt zugelassen, so ist der Antrag bei dieser Rechtsanwaltskammer zu stellen, da eine Doppelmitgliedschaft in zwei unterschiedlichen Rechtsanwaltskammern nicht möglich ist. Wenn der Syndikusrechtsanwalt aktuell keine Rechtsanwaltszulassung hat, ist der Antrag bei der Rechtsanwaltskammer zu stellen, in deren Bezirk seine regelmäßige Arbeitsstätte liegt, da bei einem Syndikusrechtsanwalt die regelmäßige Arbeitsstätte als Kanzlei gilt (§ 46c Abs. 4 Satz 1 BRAO). Wenn der Kanzleisitz als Syndikusrechtsanwalt und der Kanzleisitz als niedergelassener Rechtsanwalt in unterschiedlichen Kammerbezirken liegen, was zulässig ist, kann der Syndikusrechtsanwalt die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer, in deren Bezirk die Arbeitsstätte liegt, beantragen. Eine Verpflichtung hierzu besteht nach einer Änderung des § 46c Abs. 4 BRAO nicht mehr. Die Rechtsanwaltskammern empfehlen, den Zulassungsantrag bei der Kammer zu stellen, bei der bereits die Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt besteht und nach Erteilung der Zulassung ggf. einen Antrag auf Kammerwechsel zu stellen, wenn dieser gewünscht wird (siehe auch Frage 2.8).

Jede Rechtsanwaltskammer verwendet ein eigenes Antragsformular, das auf der Homepage der jeweiligen Rechtsanwaltskammer zusammen mit einem Merkblatt veröffentlicht wird. Es gibt in der Regel unterschiedliche Formulare, je nachdem ob eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder eine Erstreckung der bereits bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf ein zusätzliches Arbeitsverhältnis oder eine wesentlich geänderte Tätigkeit beantragt wird und ob eine Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt besteht.

Dem Antrag auf Zulassung ist eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift des Arbeitsvertrages beizufügen (§ 46a Abs. 3 Satz 1 BRAO). Eine „öffentliche“ Beglaubigung ist nicht mehr erforderlich, auch eine amtliche Beglaubigung, z. B. durch staatliche Stellen, ist ausreichend. Der Arbeitsvertrag kann der Rechtsanwaltskammer auch im Original vorgelegt werden, die eine Kopie für die Akte erstellt. Schwärzungen, z.B. der Entgelthöhe, sollen zulässig sein, soweit es sich um Angaben handelt, die nicht zulassungsrelevant sind. Es empfiehlt sich, vor der Antragstellung mit der zuständigen Rechtsanwaltskammer abzustimmen, welche Angaben diese für entbehrlich hält. Unseres Erachtens ist zu empfehlen, nur die Entgelthöhe zu schwärzen.

Die Rechtsanwaltskammer kann die Vorlage weiterer Nachweise verlangen (§ 46a Abs. 3 Satz 2 BRAO). Dabei ist insbesondere an Stellenbeschreibungen oder eine schriftliche Auskunft des Arbeitsgebers, z.B. zum Inhalt der Tätigkeit oder zu der Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten, zu denken, sofern diese Angaben nicht bereits Teil des Arbeitsvertrages sind. Die im Einzelnen erforderlichen Nachweise und Angaben lassen sich den Antragsformularen der Rechtsanwaltskammern entnehmen.

Vor der Entscheidung über den Antrag hört die Rechtsanwaltskammer die DRV an (§ 46a Abs. 2 Satz 1 BRAO). Wie die Anhörung erfolgt, insbesondere innerhalb welcher Fristen und mit welchen Informationen, ist nicht gesetzlich geregelt; dies steht im pflichtgemäßen Ermessen der Rechtsanwaltskammer. Dazu dürfte gehören, dass diese der DRV eine angemessene, aber nicht zu lange Ausschlussfrist zur Stellungnahme setzt, um dem Beschleunigungsgrundsatz und einer zeitnahen Bescheidung, spätestens innerhalb von drei Monaten (vgl. § 75 S. 2 VwGO), auf Zulassung Rechnung zu tragen. Die Anhörung bezweckt, dass die DRV frühzeitig Erwägungen, die aus ihrer Sicht gegen die tätigkeitsbezogene Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und der damit verbundenen Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sprechen (Bindungswirkung der Zulassung für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht), vorbringen kann (siehe hierzu Frage 4.2). Einer Zustimmung oder eines Einvernehmens mit der DRV bedarf die Rechtsanwaltskammer für ihre Entscheidung aber nicht. In der Praxis hat sich das Verfahren zwischen den Kammern und der DRV Bund recht gut eingespielt, so dass mit keinem wesentlichen Zeitverzug bei der Zulassung zu rechnen ist. In der Regel dauern die Zulassungsverfahren nach Einreichung vollständiger Unterlagen ca. zwei Monate.

Nach Anhörung der DRV trifft die Rechtsanwaltskammer ihre Zulassungsentscheidung. Diese Entscheidung ist zu begründen und dem Antragsteller sowie der DRV zuzustellen (§ 46a Abs. 2 Satz 2 BRAO). Die Begründung wird auch mit Blick auf die DRV geschrieben, um eine Nachprüfbarkeit der Entscheidung ggf. auch im Rahmen des gerichtlichen Rechtsschutzes zu ermöglichen. Außerdem muss sich aus der Begründung ergeben, auf welche Tätigkeit sich die Zulassung bezieht, da dies der Ausgangspunkt für eine spätere Beurteilung der Frage ist, ob eine wesentliche Änderung der Tätigkeit vorliegt, die zum Verlust der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht führt und einen Erstreckungsantrag erforderlich macht (siehe Frage 2.9).

Die DRV kann ebenso wie der Antragsteller die Zulassungsentscheidung der Rechtsanwaltskammer nach § 112a Abs. 1 und 2 BRAO gerichtlich überprüfen lassen. Im ersten Rechtszug entscheidet der Anwaltsgerichtshof (AGH) über die Zulassungsentscheidung. Gegen dessen Urteil erfolgt die Berufung zum BGH. Ob vor Klageerhebung ein Vorverfahren erforderlich ist, richtet sich nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 68 Abs. 1 VwGO. Da die Anfechtung eines Zulassungsbescheids durch die DRV aufschiebende Wirkung hat, ist es oft ratsam, in diesen Fällen eine sofortige Vollziehung der Zulassungsentscheidung nach § 80a VwGO durch den Antragsteller zu beantragen.

Während die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer – zur Vermeidung von Versor-gungsruinen in der gesetzlichen Rentenversicherung – auf den Tag der Stellung des Zulassungsantrags, frühestens aber auf den Tag des Beginns der Tätigkeit, zurückwirkt (§ 46a Abs. 4 Nr.2 BRAO), erfolgt die Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt erst mit Aushändigung der Zulassungsurkunde. Hat die Tätigkeit allerdings vor der Aushändigung der Urkunde bereits geendet, erfolgt keine Zulassung mehr. Mangels Zulassung erfolgt dann auch keine Befreiung. Von daher ist es, wie bei Zulassungsanträgen ganz allgemein, aber insbesondere in diesen Fällen ratsam, möglichst frühzeitig, ggf. schon vor Beginn der Tätigkeit, den Zulassungsantrag zu stellen (Anlagen können nachgereicht werden) und – wenn sich abzeichnet, dass die Tätigkeit demnächst endet, z. B. weil die Probezeit nicht erfolgreich verläuft – bei der Rechtsanwaltskammer auf eine möglichst zügige Durchführung des Zulassungsverfahrens zu drängen. Es wäre sinnvoll, für diese Fallkonstellationen einen Feststellungsbescheid zuzulassen, der die Feststellung des Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen in der Vergangenheit erlaubt. Der DAV und die Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte haben dies in der Stellungnahme zur Evaluation des Syndikusanwaltsgesetzes gefordert. Auch der AGH Schleswig-Holstein hatte unter Hinweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlauts eine rückwirkende Zu-lassung abgelehnt, jedoch ebenfalls auf berechtigte Interessen hingewiesen, dass ein Zulassungsanspruch bestanden habe (AGH Schleswig-Holstein, BRAK-Mitt. 2021, 323). Das BMJ sieht hier jedoch keinen Handlungsbedarf, da ein solcher Feststellungsbescheid auch durch eine doppelt analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 Ziff. 4 VwGO erreicht werden könne. Unseres Erachtens wäre hier eine Klarstellung unmittelbar in der BRAO zielführender. In Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine von der Rechtsanwaltskammer abgelehnte Zulassung vorliegen und die Verpflichtung der Kammer erst im Verlauf des Verfahrens rechtskräftig festgestellt wird und die Tätigkeit, auf die sich der Zulassungsantrag bezieht, zu diesem Zeitpunkt bereits beendet wird, ist die Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer noch für die dem Antrag zugrunde liegende Tätigkeit und den betroffenen Zeitraum zu erteilen (BGH, BRAK-Mitt. 2021, 37).

Der Streitwert für ein Verfahren auf Erteilung oder Rücknahme bzw. Widerruf der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt wird gemäß § 194 Abs. 2 BRAO festgesetzt. Die Vorschrift sieht in Satz 1 einen Regelstreitwert von € 50.000 vor. Nach Satz 2 ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Klagepartei, ein höherer oder ein niedrigerer Wert festzusetzen. In der Praxis ist eine Wertfestsetzung von € 25.000 üblich.

Die Zulassungsgebühren sind von Kammer zu Kammer verschieden und liegen i. d. R. zwischen 250 EUR und 450 EUR. Der regelmäßige Kammerbeitrag ist für Syndikusrechtsanwälte genauso hoch wie für andere Rechtsanwälte. Nach unserer Kenntnis erhebt derzeit keine Kammer einen erhöhten Mitgliedsbeitrag für Mitglieder, die gleichzeitig als Rechtsanwälte und als Rechtsanwälte (Syndikusrechtsanwälte) zugelassen sind. Dies wäre auch nicht gerechtfertigt, da man immer nur einmal Mitglied sein kann.

Im Fall einer parallelen Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt und als Syndikusrechtsanwalt müssen zwei getrennte Kanzleisitze unterhalten werden. Bei Bestehen mehrerer Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt ist für jede Tätigkeit ein eigener Kanzleisitz zu unterhalten (§ 46c Abs. 4 Satz 2 BRAO).

Kanzleisitz des Syndikusrechtsanwalts ist seine regelmäßige Arbeitsstätte (§ 46c Abs. 4 Satz 1 BRAO). Nach der im Rahmen der sog. „kleinen BRAO-Reform“50 erfolgten Streichung des § 46c Abs. 4 Satz 3 BRAO besteht keine Verpflichtung mehr, bei der Kammer in deren Bezirk die Arbeitsstätte liegt, Mitglied zu werden, selbst wenn dies der wesentliche Tätigkeitsort ist.

Es muss nur einer der Kanzleisitze in dem Kammerbezirk belegen sein, dessen Mitglied der Syndikusrechtsanwalt ist. Es gibt daher nur eine Mitgliedschaft bei einer Rechtsanwaltskammer. Allerdings ist zu beachten, dass bei einer zu großen räumlichen Distanz zwischen den Kanzleisitzen manche Rechtsanwaltskammern problematisieren, ob eine jederzeitige Erreichbarkeit der Kanzlei, die als niedergelassener Rechtsanwalt unterhalten wird, noch gewährleistet ist. Der DAV und die Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte machen sich für eine zeitgemäße Auslegung des Kanzleibergriffes des § 5 BORA stark. Danach ist eine physische Anwesenheit des Rechtsanwaltes in seiner Kanzlei nicht erforderlich, wenn er seine Erreichbarkeit anderweitig sicherstellt.

Wer bisher seinen Kanzleisitz als niedergelassener Rechtsanwalt an seiner Arbeitsstätte unterhalten hat, dürfte seinen Kanzleisitz verlegen müssen, es sei denn, eine räumliche Trennung innerhalb der Arbeitsstätte ist möglich; dies sollte mit der Rechtsanwaltskammer besprochen werden.

Es sind zwei getrennte besondere elektronische Anwaltspostfächer (beA) erforderlich. Wenn der Syndikusrechtsanwalt mehrere Arbeitsverhältnisse hat, ist sogar für jedes Arbeitsverhältnis ein gesondertes beA einzurichten (§ 46c Abs. 5 Satz 2 BRAO).

beA-Karten der ersten Generation werden im Übrigen im Laufe des Jahres 2022 ausgetauscht, Anwälte wurden bzw. werden entsprechend informiert mit den entsprechenden Aktivierungsschritten.

Im elektronischen Rechtsanwaltsverzeichnis (§ 31 BRAO) werden die Syndikusrechtsanwälte explizit als solche aufgeführt (§ 46c Abs. 5 S. 1 BRAO).

 

[50] Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften
im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 12. Mai 2017 (BGBl I S. 1121).

Wenn der Syndikusrechtsanwalt nach seiner Zulassung weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufnimmt oder wenn innerhalb seines bestehenden Arbeitsverhältnisses eine wesentliche Änderung seiner Tätigkeit eintritt, ist ein Antrag auf Erstreckung der Zulassung auf die weiteren Arbeitsverhältnisse bzw. auf die geänderte Tätigkeit zu stellen (§ 46b Abs. 3 BRAO). Ob eine Tätigkeitsänderung wesentlich ist, prüft die Rechtsanwaltskammer und wird dabei unseres Erachtens einen eher organisationsbezogenen Ansatz zu wählen haben. Die Gesetzesbegründung nennt nämlich als Beispiel einer wesentlichen Tätigkeitsänderung den Wechsel von der Rechts- in die Personalabteilung, nicht aber den Wechsel innerhalb derselben Rechtsabteilung in ein anderes Rechtsgebiet bei gleichbleibend unabhängiger rechtsberatender Tätigkeit.51 Kommt die Rechtsanwaltskammer zu dem Ergebnis, dass keine wesentliche Tätigkeitsänderung vorliegt, bedarf es keiner Erstreckung der Zulassung auf die geänderte Tätigkeit. Dies hat allerdings zur Folge, dass es auch keine Beteiligung der DRV im Anhörungsverfahren gibt, weshalb die DRV an die Beurteilung der Rechtsanwaltskammer nicht gebunden ist. Es ist daher zu überlegen, ob bei der Rechtsanwaltskammer ein Bescheid beantragt wird, mit dem festgestellt wird, dass keine wesentliche Tätigkeitsänderung vorliegt und ob vorsorglich die Tätigkeitsänderung auch der DRV angezeigt und die Feststellung beantragt wird, dass der Befreiungsbescheid sich auch auf die (unwesentlich geänderte) Tätigkeit bezieht, also „fort gilt“.

Die Rechtsanwaltskammern sind berechtigt, per Bescheid festzustellen, dass eine Änderung im bestehenden Arbeitsverhältnis unwesentlich ist, wenn eine Erstreckung beantragt wurde.52 Diese Feststellung steckt als „minus“ in dem Antrag, die bestehende Zulassung auf eine wesentlich geänderte Tätigkeit zu erstrecken.

Wenn weiterhin die Voraussetzungen einer anwaltlichen Tätigkeit gegeben sind, erfolgt eine Erstreckung der Zulassung auf die geänderte Tätigkeit, anderenfalls wird die Zulassung widerrufen. Die DRV ist vor der Erstreckungsentscheidung ebenso wie bei der Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt anzuhören. Die Erstreckungsentscheidung ist zu begründen und zuzustellen. Die Erstreckungsentscheidung kann sowohl vom Antragsteller wie auch von der DRV gerichtlich überprüft werden.53

Des Weiteren hat der Syndikusrechtsanwalt der Rechtsanwaltskammer jede tätigkeitsbezogene Änderung seines Arbeitsvertrages einschließlich der Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses anzuzeigen (§ 46b Abs. 4 Nr. 1 BRAO). Die Anzeigepflicht besteht auch bei jeder wesentlichen Änderung der Tätigkeit innerhalb des Arbeitsverhältnisses (§ 46b Abs. 4 Nr. 2 BRAO). Es ist darauf hinzuweisen, dass jede tätigkeitsbezogene Änderung des Arbeitsvertrages anzuzeigen ist, auch dann, wenn sie nicht wesentlich ist.54 Änderungen des Gehalts sind nicht mitzuteilen, jedoch die ggf. mit einer Gehaltsveränderung einhergehende Änderung der Tätigkeit.

Wenn eine tätigkeitsbezogene Änderung des Arbeitsvertrages oder eine wesentliche Änderung der Tätigkeit innerhalb des Arbeitsverhältnisses nicht angezeigt wird und auch kein Erstreckungsantrag gestellt wird, besteht die Zulassung zwar fort, solange sie nicht zurückgenommen oder widerrufen wird. Allerdings endet die Bindungswirkung der Zulassung für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ipso iure (siehe hierzu Frage 4.7).

Im Fall eines Arbeitgeberwechsels ist – entgegen der vorherigen Praxis vieler Rechtsanwaltskammern – ein Erstreckungsbescheid nicht zulässig, auch dann nicht, wenn sich die neue Tätigkeit nahtlos anschließt. Vielmehr ist die bisherige Zulassung zu widerrufen und ein neuer Zulassungsbescheid für die Tätigkeit bei dem neuen Arbeitgeber zu erteilen.55 Der BGH empfiehlt zur „bruchlosen Wahrung der Statusrechte“ des Syndikusrechtsanwalts den Widerruf der bisherigen Zulassung und die Erteilung der neuen Zulassung in einem Akt und ggf. die Anordnung der sofortigen Vollziehung56, was allerdings voraussetzt, dass der Antrag auf neue Zulassung im Zeitpunkt des Widerrufs der alten Zulassung bereits entscheidungsreif ist (was sicher nur für diejenigen Anträge gilt, die mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf bei der RAK eingereicht worden sind). Für den Erstreckungsantrag bleibt somit nur noch Raum, wenn sich eine wesentlich geänderte Tätigkeit bei dem bisherigen Arbeitgeber nahtlos anschließt oder im Falle eines zusätzlichen Arbeitsverhältnisses.

Kein Arbeitgeberwechsel, der eine Neuzulassung erfordert, liegt vor, wenn der Arbeitgeber kraft Gesetzes im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB wechselt. Über § 324 UmwG gilt dies auch bei Umwandlungsvorgängen (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung).57 Es sollte allerdings im Hinblick auf § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO daran gedacht werden, etwaige Vollmachten und Prokuren durch den neuen Arbeitgeber zu erneuern.

Auch die Erstreckung der Zulassung wird nur erteilt, wenn im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung die wesentlich geänderte Tätigkeit noch ausgeübt wird. Zwar bewirkt die Zulassung rückwirkend auf den Tag der Antragstellung die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer (§ 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO, der am 18. Mai 2017 rückwirkend zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist), dies gilt jedoch nicht für die Erstreckung der Zulassung. Diese wirkt erst mit Übergabe der Urkunde bezüglich der Zulassung bzw. Erstreckung (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 46b Abs. 3, § 46a Abs. 4 BRAO). Wenn im laufenden Erstreckungsverfahren das Ende der wesentlich geänderten Tätigkeit bereits absehbar ist, empfiehlt es sich daher, die Rechtsanwaltskammer auf die Eilbedürftigkeit hinzuweisen.

Dies führt zu der Frage, ob bei einem Ruhen der Arbeitspflichten noch von einer Ausübung der Tätigkeit ausgegangen werden kann.

Der DAV und die Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte hatten in der Stellungnahme zur Evaluation des Syndikusanwaltsgesetzes angeregt, explizite zulassungserhaltende Regelungen bei verschiedenen Tatbeständen des „ruhenden“ Arbeitsverhältnisses (Sabbaticals, Hospitationen, Altersteilzeit etc.) aufzunehmen. Nur so können Versicherungsruinen vermieden werden. Der Gesetzgeber hat daraufhin zum 1. August 2022 mit § 46b Abs. 2 Satz 3 BRAO eine Regelung eingefügt, wonach die Zulassung nicht zu widerrufen ist, wenn die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt unterbrochen wird, die Unterbrechung infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und das der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zugrundeliegende Arbeitsverhältnis fortbesteht. Damit sind insbesondere Unterbrechungen wegen Elternzeit, längerer Krankheit, Betriebsratstätigkeit und Sabbatical zulässig. Nach unserer Auffassung fällt auch die Passivphase der Altersteilzeit darunter.58

 

51 BT-Drs. 18/5201, S. 36.

52 BGH, Urteil vom 14.07.2020 – AnwZ (Brgf) 8/20.

53 BT-Drs. 18/5201, S. 36.

54 BT-Drs. 18/5201, S. 36.

[55] BGH, Urteil vom 30.03.2020 – AnwZ (Brfg) 49/19.

[56] BGH, Urteil vom 30.03.2020 – AnwZ (Brfg) 49/19 Rn. 16.

[57] So bestätigt für die Verschmelzung durch BGH, Urteil vom 14.07.2020 – AnwZ (Brfg) 8/20.

[58] So auch Dietzel in Harting/Scharmer, BORA/FAO 7. Auflage 2020, § 46 Rn. 46; Martina, NJW-Spezial 2019, S. 702.

Da Syndikusrechtsanwälte anwaltlich tätig sind, können praktische Erfahrungen aus der Syndikusrechtsanwaltstätigkeit bei der Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung berücksichtigt werden. Dies gilt unseres Erachtens vollumfänglich entsprechend dem jeweils geforderten Fällekanon. Es bedarf auch keiner Doppelzulassung, um den Fachanwaltstitel erwerben oder führen zu können. Aufgrund der Einschränkungen bei der gerichtlichen Vertretung dürfte es aber bei vielen Fachanwaltschaften schwer fallen, die notwendigen gerichtlichen Fälle zu erreichen.

3. ARBEITSVERTRAGSGESTALTUNG

Die besonderen Anforderungen ergeben sich aus § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO. Im Arbeitsvertrag sollte ausdrücklich vereinbart werden, dass

  • der Mitarbeiter als Syndikusrechtsanwalt eingestellt wird und eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt ausübt,
  • der Syndikusrechtsanwalt für den Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses entsprechend den Anforderungen nach § 46 Abs. 3 BRAO anwaltlich tätig wird und ihn in Rechtsangelegenheiten berät und vertritt,
  • die Tätigkeit fachlich unabhängig ausgeübt wird und insoweit keine Weisungsgebundenheit besteht und
  • die Befugnis zum verantwortlichen Auftreten nach außen besteht.

Während die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung nicht nur tatsächlich zu gewährleisten, sondern auch ausdrücklich vertraglich zu vereinbaren ist (siehe § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO), sieht der Gesetzestext das Erfordernis einer vertraglichen Vereinbarung nicht für die Merkmale der anwaltlichen Tätigkeit nach § 46 Abs. 3 BRAO vor. Dennoch sollte ein entsprechender Hinweis auf diese Regelung im Arbeitsvertrag erfolgen und zudem schriftlich festgehalten sein, welche Aufgaben dem Syndikusrechtsanwalt obliegen, damit das Vorliegen der Merkmale im Rahmen des Zulassungsverfahrens anhand der schriftlichen Unterlagen geprüft werden kann. In Betracht kommt eine Regelung im Arbeitsvertrag, in einer Anlage zum Arbeitsvertrag oder in einer Stellenbeschreibung. Den Antragsformularen der Rechtsanwaltskammern ist zu entnehmen, dass die Beschreibung der anwaltlichen Tätigkeit beiderseits verbindlich vereinbart werden soll.

Wenn keine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt erfolgen soll, sondern (lediglich) eine Tätigkeit als „Unternehmensjurist“ gewünscht ist (siehe Frage 2.2), wird bereits aus dem Arbeitsvertrag oder einer Stellenbeschreibung deutlich werden, dass die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht gewünscht bzw. die Anforderungen an die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts nicht erfüllt sind, z. B. da die Weisungsgebundenheit nicht entsprechend eingeschränkt bzw. die Weisungsgebundenheit ausdrücklich auch auf fachliche Fragen erstreckt wird.

Eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt setzt eine nachvollziehbare Tätigkeitbeschreibung voraus, aus der konkret hervorgeht, dass die anwaltliche Tätigkeit die im Rahmen des Dienstverhältnisses qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung ist. Die Beschreibung muss die zeitliche Relation zwischen nicht-anwaltlicher Tätigkeit und anwaltlicher Tätigkeit erkennen lassen.59 Die Bedeutung der Tätigkeitsbeschreibung ergibt sich aus zweierlei. Zum einen sollen die Rechtsanwaltskammer (und die DRV, die zum Zulassungsantrag angehört wird) anhand der Tätigkeitsbeschreibung prüfen können, worin die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts besteht und wodurch die vier Merkmale der anwaltlichen Tätigkeit (siehe Frage 1.1) erfüllt werden. Zum anderen ist die Tätigkeitsbeschreibung Ausgangspunkt für die ggf. später auftretende Frage, ob eine wesentliche Änderung der Tätigkeit vorliegt, die einen Erstreckungsantrag und einen neuerlichen Befreiungsantrag erforderlich macht (siehe Frage 2.9). In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Tätigkeitsbeschreibung, die einerseits konkret sein muss und sich nicht in einer Wiederholdung der gesetzlichen Merkmale erschöpfen darf und die andererseits flexibel genug sein sollte, um unwesentliche Veränderungen der Tätigkeit gleichwohl unter die Tätigkeitsbeschreibung subsumieren zu können. Die Tätigkeitsbeschreibung muss Angaben (üblicherweise in %) zum zeitlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit beinhalten in Abgrenzung zu nicht-anwaltlichen Tätigkeiten (siehe Frage 2.3). Es ist darauf zu achten, dass die Angaben in der Tätigkeitsbeschreibung im Einklang mit den Regelungen im Arbeitsvertrag stehen. Zu bedenken ist bei der Abfassung der Tätigkeitsbeschreibung, dass die Mitarbeiter in den Rechtsanwaltskammern und der DRV Bund nicht immer Erfahrung mit Abläufen und Tätigkeiten in Unternehmen und Verbänden haben. Insofern sollte die Tätigkeitsbeschreibung daher möglichst anschaulich abgefasst sein.

Falls ein Bewerber als Syndikusrechtsanwalt eingestellt wird, werden die für einen Syndikusrechtsanwalt typischen und erforderlichen Vertragsklauseln üblicherweise in den Arbeitsvertrag aufgenommen. Falls hingegen ein Unternehmensjurist, der bereits im Arbeitsverhältnis steht, zukünftig als Syndikusrechtsanwalt tätig werden soll, wird sich eine entsprechende Ergänzungsvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag anbieten.

Im Arbeitsvertrag bzw. in dessen Ergänzung sollten auch Regelungen getroffen werden, wie sich eine etwaige Erfolglosigkeit des Zulassungsantrags oder ein Widerruf der Zulassung auf das Arbeitsverhältnis auswirken und wer die Kosten der Zulassung trägt. Außerdem sind Informationspflichten des Syndikusrechtsanwalts gegenüber seinem Arbeitgeber über seine Anträge und Anzeigen gegenüber der Rechtsanwaltskammer und der DRV sinnvoll.

Aus Sicht des Arbeitgebers wird es zumeist ratsam sein, durch einen Versetzungsvorbehalt deutlich zu machen, dass weder die Zusicherung einer Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt noch die Unterzeichnung der Tätigkeitsbeschreibung zur Einschränkung des dem Arbeitgeber zustehenden Weisungsrechts im Hinblick auf die Tätigkeit führen soll. Versetzungsklauseln im Arbeitsvertrag, die zu einem Wegfall der anwaltlichen Tätigkeiten oder auch zur Zuweisung einer unerwünschten Tätigkeit führen können, sind für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt unschädlich. Der BGH hat es abgelehnt, hierin eine Beschränkung der fachlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit zu sehen.60 Allerdings wird unseres Erachtens der Arbeitgeber, wenn er einen Versetzungsvorbehalt nutzt, um dem Syndikusrechtsanwalt eine andere Tätigkeit zuzuweisen, im Rahmen der Ausübung seines Ermessens zulasten der angestrebten Versetzung berücksichtigen müssen, ob dadurch die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und die damit verbundene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht verloren gehen. Versetzungen als sanktionierende Reaktion auf die Ausübung der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts wären ohnehin unwirksam.61

 

[59] AGH Bayern, Urteil vom 13.03.2019 – BayAGH I-1-25/18.

[60] BGH, Beschluss vom 26.06.2019 – AnwZ (Brfg) 29/19.

[61] BGH, Beschluss vom 26.06.2019 – AnwZ (Brfg) 29/19.

Wenn der Arbeitgeber eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt wünscht, damit die entsprechenden Befugnisse (siehe Frage 1.2) im Unternehmen genutzt werden können, wird er zu einer Änderung des Arbeitsvertrages bereit sein.

Wenn die tatsächliche Handhabung der Tätigkeit die gesetzlichen Anforderungen an die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts erfüllt, könnte argumentiert werden, dass ein Anspruch auf vertragliche Niederlegung dessen, was tatsächlich gilt, besteht. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil ansonsten die Befreiungsfähigkeit wegfallen könnte. Einen Bindungswillen des Arbeitgebers wird man aber nur annehmen können, wenn dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit als „Syndikusrechtsanwalt“ zugesagt wurde bzw. dies die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeitsbezeichnung ist.

Wenn hingegen die Voraussetzungen nach § 46 Abs. 3 bis 5 BRAO bisher nicht erfüllt sind und auch keine Zusage vorliegt, als Syndikusrechtsanwalt beschäftigt zu werden, scheitert ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Ermöglichung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt daran, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet ist, sein Weisungsrecht zu beschränken und einem Arbeitnehmer die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten, einzuräumen.[63]

In der Praxis wird es allerdings häufig ein gesteigertes Interesse der Arbeitgeber daran geben, Syndikusrechtsanwälte zu beschäftigen, da dies Integrität und good governance des Unternehmens signalisiert.

[63] BAG, Urteil vom 24.10.2018 – 10 AZR 69/18.

Es sollte deutlich werden, dass die Stelle eines Syndikusrechtsanwalts zu besetzen ist. Daraus ergibt sich, dass die Ausgestaltung der Stelle den gesetzlichen Anforderungen an die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts nach § 46 Abs. 3 bis 5 BRAO entsprechen soll. Wenn die Stelle als Stelle eines Syndikusrechtsanwalts ausgeschrieben ist, kann sich hieraus unseres Erachtens ein Anspruch des Bewerbers auf eine entsprechende Arbeitsvertragsgestaltung ergeben, die den Anforderungen an einen Syndikusrechtsanwalt einschließlich der Zusicherung der fachlichen Weisungsfreiheit entspricht (sehe Fragen 1.1 und 3.2).

4. BEFREIUNG VON DER RENTENVERSICHERUNGSPFLICHT

Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt führt zur Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer. Die Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer führt zur Pflichtmitgliedschaft im örtlich zuständigen Rechtsanwaltsversorgungswerk (die zuvor geltenden Altersgrenzen von 45 Jahren sind aufgehoben worden, inzwischen auch in Baden-Württemberg). Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist jedoch kein Automatismus. Es bedarf hierzu eines gesonderten Befreiungsantrags nach § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB VI. Dieser Antrag ist auf der Homepage der DRV abrufbar. Der Antrag auf Befreiung kann gleichzeitig mit dem Zulassungsantrag gestellt werden.
Gemäß § 6 Abs. 4 SGB VI wirkt eine Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von 3 Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. Syndikusrechtsanwälte sollten daher binnen 3 Monaten nach ihrer Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht beantragen. Idealerweise wird der Antrag zeitgleich mit dem Antrag auf Zulassung gestellt.

Es sind somit zwei Anträge zu stellen:

  • Zulassungsantrag bei der Rechtsanwaltskammer nach § 46a Abs. 1 BRAO
  • Befreiungsantrag beim zuständigen Rechtsanwaltsversorgungswerk oder bei der DRV nach § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB VI

Die durch § 231 Abs. 4b SGB VI eröffnete Möglichkeit, die Befreiung auch rückwirkend zu erlangen, konnte genutzt werden, indem fristgebunden bis zum 1. April 2016 zusätzlich ein Antrag auf rückwirkende Befreiung neben dem Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV gestellt wurde.64 Diese Möglichkeit besteht seither nicht mehr. Die Befreiung kann nunmehr nur noch in die Zukunft erfolgen.

 

[64] BT-Drs. 18/5201, S. 46.

Die DRV ist an die Zulassungsentscheidung der Rechtsanwaltskammer gebunden (§ 46a Abs. 2 Satz 3 BRAO). Die DRV hat lediglich die Möglichkeit, ihre abweichende Auffassung im Rahmen der Anhörung vor Erteilung der Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt der Rechtsanwaltskammer mitzuteilen. Es bedarf jedoch nicht ihres Einverständnisses. Allerdings kann sie gegen die Zulassungsentscheidung Rechtsschutz gemäß § 112a Abs. 1 und 2 BRAO erlangen (siehe Frage 2.6).

Mit der wirksamen Zulassungsentscheidung der Rechtsanwaltskammer steht für die DRV bindend fest, dass die Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgt ist, eine anwaltliche Tätigkeit ist, für die auf Antrag eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu gewähren ist.

… eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf eine bestehende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht aus bzw. sollte ich eine Fortgeltung des Alt-Bescheides beantragen?


Bestandskräftige
Befreiungsbescheide wurden und werden von der gesetzlichen Neuregelung nicht berührt.65 Dies gilt sowohl im Fall einer Zulassung wie auch im Fall einer Nichtzulassung als Syndikusrechtsanwalt.66 Gültige Befreiungen von der Rentenversicherungspflicht gelten somit fort, solange sich die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung erteilt wurde, nicht ändert und insbesondere kein Arbeitgeberwechsel stattfindet.

Alt-Bescheide, für die Vertrauensschutz nach der Verlautbarung der DRV vom 12. Dezember 2014 besteht, wirken ebenfalls fort, solange die Voraussetzungen der Verlautbarung für den Vertrauensschutz bestehen. Dies setzt voraus, dass sich die Tätigkeit seit Erteilung der Alt-Befreiung nicht wesentlich geändert hat und dass kein Arbeitgeberwechsel erfolgt ist. Auch Alt-Bescheide, die aufgrund ihrer Formulierung so verstanden werden konnten, dass sie tätigkeitsbezogen und nicht arbeitgeberbezogen sind, beziehen sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur auf die konkrete Tätigkeit, die bei Antragstellung ausgeübt wurde.67
 
Wenn und solange eine wirksame Befreiung von der Rentenversicherungspflicht besteht, bedarf es keiner Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, um die Befreiungsvoraussetzungen zu erfüllen. Allerdings muss aus berufsrechtlichen Gründen eine Zulassung beantragt werden, wenn man für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig werden will (siehe Frage 2.2).
 
Liegen hingegen kein aktueller Befreiungsbescheid und auch kein Alt-Bescheid mit Vertrauensschutz vor, bedarf es einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, um von der Rentenversicherung befreit werden zu können.
 
Eine „Fortgeltung“ des Alt-Bescheides muss nicht beantragt werden. Entweder der Alt-Bescheid hat noch Gültigkeit und gilt fort (auch bei einer etwaigen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt) oder er gilt nicht fort. Wenn er nicht fort gilt, bedarf es einer Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt, um eine Befreiung erlangen zu können. Wenn zweifelhaft ist, ob er fort gilt, ist ein Antrag auf „Fortgeltung“ bzw. auf neue Befreiung zu erwägen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die bereits befreite Tätigkeit zwar nicht geändert hat, sich aber der Gesamttatbestand im Zulassungsverfahren gegenüber dem bisherigen Befreiungstatbestand zur Erfüllung der neuen Zulassungsvoraussetzungen verändert hat (z. B. weil neu die Anstellung als „Syndikusrechtsanwalt“ vereinbart und weitere Punkte geändert wurden).

[65] BT-Drs. 18/5201, S. 22.

[66] BT-Drs. 18/5201, S. 46.

[67] BSG, Urteil vom 13.12.2018 – B 5 RE 1/18 R.

Wenn eine Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt erfolgt, ist zumindest für die Zeit ab der Zulassung die Befreiung zu gewähren, wobei die für die Befreiung maßgebliche Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk im Fall der Zulassung rückwirkend auf den Tag der Stellung des Antrags auf Zulassung, frühestens aber den Tag des Beginns der Tätigkeit eintritt (§ 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO). Das schwebende Befreiungsverfahren nach altem Recht reduzierte sich somit im Ergebnis auf die Vergangenheit. Wenn zudem ein Antrag auf rückwirkende Befreiung fristgemäß bis zum 1. April 2016 gestellt wurde und die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b und 4d SGB VI erfüllt waren, war die Befreiung rückwirkend zu gewähren. Wenn die rückwirkende Befreiung den gesamten Zeitraum des schwebenden Befreiungsverfahrens erfasste, kann bzw. konnte das schwebende Befreiungsverfahren unseres Erachtens beendet werden.

Unterstellt, ein entsprechender Befreiungsantrag (parallel zum Zulassungsantrag) wurde bis spätestens zum 1. April 2016 gestellt (siehe Frage 4.10) konnte unter folgenden Voraussetzungen eine rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt werden:

Eine Befreiung rückwirkend auf den Beginn derjenigen Beschäftigung, für die die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfolgt, ist bzw. war möglich, grundsätzlich aber frühestens zum 1. April 2014. Die rückwirkende Befreiung erfordert in diesem Fall keine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer und keine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk.68

Wenn nach dem 1. April 2014 der Arbeitgeber gewechselt wurde oder die Tätigkeit sich wesentlich geändert hat, kann eine rückwirkende Befreiung auch für die zeitlich unmittelbar davor liegenden Beschäftigungen beantragt werden, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand (§ 231 Abs. 4b Satz 2 SGB VI). Eine einkommensbezogene Beitragszahlung ins Versorgungswerk ist nicht erforderlich.69 Dabei reicht es aus, wenn die Pflichtmitgliedschaft (nur) aufgrund einer Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt bestand.70

Eine Befreiung auch für Zeiten vor dem 1. April 2014 ist möglich, wenn nicht nur eine Pflichtmitgliedschaft in dem Versorgungswerk bestand, sondern wenn auch einkommensbezogene Pflichtbeiträge gezahlt wurden (§ 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI). Lange war umstritten, ob auch der Mindestbeitrag zum Versorgungswerk ein einkommensbezogener Pflichtbeitrag ist. Diese Frage betrifft bzw. betraf die „Alt-Syndizi“, die von ihrem Arbeitgeber im Nachgang der BSG Urteile von 2014 (siehe Fußnote 2) zur DRV angemeldet wurden und daher lediglich aufgrund ihrer Nebenbeschäftigung als niedergelassener Rechtsanwalt Beiträge zum Versorgungswerk entrichtet haben, wobei es sich häufig nur um den nach der Satzung des Versorgungswerks erforderlichen Mindestbeitrag gehandelt hat. Die Rechtsprechung war insoweit uneinheitlich. Ein Teil der Instanzenrechtsprechung nahm an, dass es sich bei dem Mindestbeitrag zum Versorgungswerk um einen einkommensbezogenen Pflichtbeitrag handelt.71 Ein anderer Teil nahm an, nur der sich aus dem Arbeitsentgelt der Syndikustätigkeit ergebende Beitrag sei ein einkommensbezogener Pflichtbeitrag.72

Das BSG hat diesen Streit beendet und sich der erstgenannten Auffassung angeschlossen.73 Nach Auffassung des BSG handelt es sich bei der Zahlung von satzungsmäßigen Mindestbeiträgen – entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG74 – um „einkommensbezogene Beiträge iSd § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI. Das Wort „einkommensbezogen“ in § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI bedeute nicht „einkommensabhängig“ von den individuellen Einkommensverhältnissen, sondern stelle nur eine typisierende Beschreibung dar.75

Ausgeschlossen ist eine rückwirkende Befreiung allerdings, wenn eine Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde (§ 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI).

Es ergibt sich somit folgende abgestufte Regelung der rückwirkenden Befreiung:

  • Für die aktuelle Beschäftigung wirkt die Befreiung rückwirkend ab dem 1. April 2014, selbst wenn in dieser Zeit keine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk bestand.
  • Die Befreiung ab dem 1. April 2014 bezieht sich auch auf davor liegende Beschäftigungen, wenn während dieser vorherigen Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk bestand.
  • Die Befreiung kann in beiden vorgenannten Konstellationen auch für Zeiten vor dem 1. April 2014 erteilt werden, wenn für diese Zeiten neben der Pflichtmit-liedschaft im Versorgungswerk auch einkommensbezogene Beiträge gezahlt wurden, wobei es sich auch bei Mindestbeträgen um solche handelt.

Wichtig nochmals zur Klarstellung: Es handelt sich hierbei um eine Übergangsvorschrift, die nur genutzt werden konnte, wenn die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bis zum 1. April 2016 beantragt und sodann erteilt wurde (siehe Frage 2.2).

Aufgrund der Ausschussempfehlungen im Gesetzgebungsverfahren wurden noch zwei Sonderregelungen (Absätze 4c und 4d) in § 231 SGB VI eingefügt. Beide Regelungen bezwecken eine Abschwächung des Erfordernisses einer Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk. Syndikusrechtsanwälte, die erstmalig nach Überschreiten der Altersgrenze in ein Versorgungswerk eintreten wollen, genießen dieses Privileg jedoch nicht.76 Bei ihnen verbleibt es dabei, dass eine Pflichtmitgliedschaft nicht mehr möglich ist.

Für Syndikusanwälte im bisherigen Sinn, die aufgrund der BSG-Urteile vom 3. April 2014 ihre Rechtsanwaltszulassung zurückgegeben und dadurch auch ihre Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk verloren haben und später wegen Überschreitens der Altersgrenze nicht mehr Pflichtmitglied werden können, wird das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft fingiert (§ 231 Abs. 4c SGB VI). Dies gilt allerdings nur, solange der Syndikusrechtsanwalt als freiwilliges Mitglied einkommensbezogene Beiträge in das Versorgungswerk einzahlt.

Für den Fall, dass infolge eines Ortswechsels der anwaltlichen Tätigkeit vor dem 1. Januar 2016 eine Pflichtmitgliedschaft in dem neu zuständigen Versorgungswerk nicht mehr begründet werden konnte, gilt die Übergangsvorschrift des § 231 Abs. 4c SGB VI nicht.77 Für diese Fälle enthielt jedoch § 231 Abs. 4d SGB VI eine weitere – inzwischen zeitlich überholte - Übergangsregelung. Wenn das Versorgungswerk innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes die Altersgrenze aufhob und dadurch eine Pflichtmitgliedschaft begründet werden konnte, wirkte die Befreiung auf Antrag vom Beginn des 36. Kalendermonats vor Inkrafttreten der Aufhebung der Altersgrenze an, wenn

  • infolge eines Ortswechsels die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk nicht begründet werden konnte,
  • Beiträge als freiwilliges Mitglied entrichtet wurden und
  • der Antrag auf rückwirkende Befreiung innerhalb von 3 Monaten nach Inkrafttreten der Aufhebung der Altersgrenze gestellt wurde.

Alle Versorgungswerke mit Ausnahme Baden-Württembergs haben fristgemäß bis spätestens zum 31. Dezember 2018 die Altersgrenze von 45 Jahren aufgehoben, inzwischen auch Baden-Württemberg.

 

[68] BSG, Urteil vom 26.02.2020 – B 5 RE 2/19 R.

[69] BT-Drs. 18/5201, S. 46.

[70] BSG, Urteil vom 26.02.2020 – B 5 RE 2/19 R.

[71] LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2018 – L 13 R 4841/17; LSG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 10.04.2019 – L 16 R 255/18; darin folgend dem Bundesverfassungs-
gericht (BVerfG, Beschluss vom 19.07.2016 – 1 BvR 2584/14).

[72] LSG Bayern, Urteil vom 07.02.2019 – L 14 R 264/18; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.05.2020 – L 3 R 738/18.

[73] BSG, Urteil vom 23.09.2020 – B 5 RE 3/19 R.

[74] BVerfG, Beschluss vom 19.07.2016 – 1 BvR 2584/14.

[75] Dazu: Huff, LTO vom 24.09.2020, abrufbar hier (Zugriff am 22.10.2020).

[76] BT-Drs. 18/6915, S. 27.

[77] BT-Drs. 18/6915, S. 27.

Pflichtbeiträge, die aufgrund einer rückwirkenden Befreiung nach § 231 Abs. 4b und 4d SGB VI zu Unrecht entrichtet wurden, werden von der DRV unmittelbar an das zuständige Rechtsanwaltsversorgungswerk erstattet (§ 286f Satz 1 SGB VI). Zinsen sind nicht zu zahlen (§ 286f Satz 2 SGB VI).

Ein Wechsel des Arbeitgebers sowie jede Änderung der Tätigkeit, die wesentlich ist, muss der Rechtsanwaltskammer unverzüglich angezeigt werden (§ 46b Abs. 4 Satz 1 BRAO). Außerdem ist bei der Rechtsanwaltskammer gemäß § 46b Abs. 3 BRAO ein Antrag auf Erstreckung der Zulassung auf ein zusätzliches Arbeitsverhältnis, auf die wesentlich geänderte Tätigkeit bzw. bei Arbeitgeberwechsel ein neuer Zulassungsantrag zu stellen (siehe Frage 2.9).

Unterbleibt eine Erstreckung der Zulassung, so endet die erteilte Befreiung ipso iure, selbst wenn noch eine wirksame Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bis zur Rücknahme oder einem Widerruf der Zulassung besteht.78 Dies ergibt sich daraus, dass die Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt an die konkrete Tätigkeit gebunden ist und nur insoweit die Zulassung die DRV bezüglich der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bindet. Die Bindungswirkung des Erstreckungsbescheids für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wirkt gemäß § 46b Abs. 3, § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO auf den Zeitpunkt des Eingangs des Erstreckungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer zurück. Der Erstreckungsantrag ist daher spätestens zum Zeitpunkt der Änderung der Tätigkeit zu stellen, um eine lückenlose Befreiung zu gewährleisten. Außerdem ist daran zu denken, dass zusätzlich ein neuer Befreiungsantrag bei der DRV zu stellen ist!

 

[78] BGH, Urteil vom 30.03.2020 – AnwZ (Brfg) 49/19 Rn. 17.

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt zum Widerruf der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, da die Zulassung tätigkeitsbezogen ist. Der Widerruf der Zulassung führt zur Beendigung der Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer (§ 60 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 13 BRAO). Die Beendigung der Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer führt zur Beendigung der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Eintritt der Arbeitslosigkeit sind dem Versorgungswerk mitzuteilen. Die Mitgliedschaft im Versorgungswerk kann nach der Satzung des jeweiligen Versorgungswerks freiwillig fortgeführt werden.

Mitglieder im Versorgungswerk bleiben auch im Fall der Arbeitslosigkeit zur Zahlung von Beiträgen an das Versorgungswerk verpflichtet. Dies ergibt sich aus den jeweiligen Satzungen der Versorgungswerke.79 Aus diesen ergibt sich auch die Begrenzung der Beitragspflicht auf den Betrag, den die Arbeitsagentur nach § 173 Abs. 3 SGB III gesetzlich zu zahlen verpflichtet ist.

Diese Satzungslage entspricht den einschlägigen gesetzlichen Regelungen. Im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld I haben Mitglieder des Versorgungswerks, die von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit wurden, gem. § 173 Abs. 1 SGB III einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge zum Versorgungswerk durch die Bundesagentur für Arbeit. Hierzu bedarf es eines Antrags bei der Arbeitsagentur. Nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 173 SGB III werden die Beiträge übernommen oder erstattet, wenn zuletzt eine Befreiung des Rentenversicherungsträgers von der Rentenversicherungspflicht vorlag.80 Dabei reicht unseres Erachtens die freiwillige Fortführung der Mitgliedschaft im Versorgungswerk aus, da es nach den fachlichen Weisungen darauf ankommt, dass „zuletzt“, also unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, eine Befreiung vorlag. Zudem würde anderenfalls jede Phase der Arbeitslosigkeit bei einem Syndikusrechtsanwalt ohne Doppelzulassung zu „Versicherungsruinen“ führen.

 

[79] Siehe z.B. für Baden-Württemberg § 13 Abs. 2 S. 1; für Nordrhein-Westfalen § 31 Abs. 1; für die Freie und Hansestadt Hamburg siehe § 31 Abs. 2.

[80] Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 173 SGB III, RV 5.1.

Eine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk besteht nur in dem für den Ort der Anwaltszulassung örtlich zuständigen Versorgungswerk. Wenn bei einem Zulassungswechsel in einen anderen Kammerbezirk die Mitgliedschaft im bisherigen Versorgungswerk aufrechterhalten bleibt, handelt es sich hierbei um eine freiwillige Mitgliedschaft.

Von einer Pflichtmitgliedschaft ist allerdings auch auszugehen, wenn nach einem Kammerwechsel die in dem regional neu zuständigen Versorgungswerk an sich bestehende Pflichtmitgliedschaft durch eine formal freiwillig fortgeführte Mitgliedschaft in dem bisher zuständigen Versorgungswerk ersetzt wird.81

Besteht bzw. bestand wegen Überschreitens der Altersgrenze in dem regional neu zuständigen Versorgungswerk (zunächst) keine Pflichtmitgliedschaft, wurde die Übergangsregelung des § 231 Abs. 4d SGB VI relevant (siehe Frage 4.5).

 

[81] BT-Drs. 18/5201, S. 46, 47.

Fristen gab es im Hinblick auf die Nutzung der rückwirkenden Befreiung. Diese Fristen sind sämtlich abgelaufen:

Der Antrag auf rückwirkende Befreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung (siehe Frage 4.5), konnte nur bis zum Ablauf des ersten Tages des vierten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats gestellt werden (§ 231 Abs. 4b Satz 6 SGB VI). Ausgehend von der im Dezember 2015 erfolgten Verkündung musste der Antrag somit spätestens bis zum 1. April 2016 gestellt worden sein. Später ist eine rückwirkende Befreiung nicht mehr möglich.

Wer nach dem 3. April 2014 seine Zulassung als Rechtsanwalt zurückgegeben hat, musste gemäß § 231 Abs. 4c SGB VI bis zum 1. April 2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt beantragt haben, wenn er die Möglichkeit der rückwirkenden Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI nutzen wollte (siehe Frage 4.5).

Wer die Möglichkeit der rückwirkenden Befreiung nach § 231 Abs. 4d SGB VI nutzen wollte (siehe Frage 4.5), musste den Antrag auf rückwirkende Befreiung bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Inkrafttreten der Aufhebung der Altersgrenze gestellt haben (§ 231 Abs. 4d Satz 2 SGB VI).

Es ist darauf zu achten, dass der Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bzw. der Antrag auf Erstreckung einer bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf eine wesentlich geänderte Tätigkeit oder auf ein zusätzliches Arbeitsverhältnis bzw. ein neuer Zulassungsantrag bei Arbeitgeberwechsel spätestens am Tag des Beginns der Tätigkeit bei der Rechtsanwaltskammer zu stellen ist. Dies ermöglicht ein Zurückwirken der Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer – und damit auch die Begründung der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk – zum Beginn der Tätigkeit, wenngleich die sonstigen rechtsanwaltlichen Rechte und Pflichten erst mit Aushändigung der Zulassungsurkunde beginnen. Außerdem ist binnen drei Monaten nach Aufnahme der neuen bzw. geänderten Tätigkeit der Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei der DRV zu stellen.

Stand: 1. August 2022

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